Inhaltsverzeichnis
Zum Arzt zu gehen und offen über die eigene Essssucht, über Essattacken oder Bulimie zu sprechen, ist notwendig. Nicht, unbedingt weil der Hausarzt beim Bekämpfen der Essstörung helfen kann, sondern weil es wichtig ist, dass ein Arzt (und bei häufigem Erbrechen der Zahnarzt!) die körperlichen Folgen im Blick hat.
Betroffene wollen oft ihre Erkrankung verstecken, deshalb widerstrebt es ihnen ein Arzt zuzuziehen. Zudem bemerken sie selbst die körperlichen Alarmsingnale, die sich langsam zeigen lange nicht. Vielen Betroffenen ist auch nicht bewusst – oder nicht bekannt – wie gefährlich Hungern, Diäthalten, Essattacken und Erbrechen sein können. Um so wichtiger ist es, dass Angehörige wissen, wann sie etwas unternehmen müssen.
1. Handeln bevor eine schwere Essstörung entsteht
Ist das spezielle Verhalten im Umgang mit dem Essen und der eigenen Figur nur eine Krise, eine Phase? Sind die Essanfälle der Hinweis auf ernsthafte Probleme? Diese Frage muss beantwortet werden. Klar ist: Auch bei Essstörungen gilt „Wehret den Anfängen“. Bei frühen Anzeichen zu intervenieren ist weit einfacher, als wenn sich die Essstörung über Monate oder gar Jahre ausbreiten konnte. Die Gefahr ist gross, dass sich aus einem anfänglich „seltsamen“ Essverhalten eine chronische Essstörung entwickelt.
2. Uneinsichtigkeit trotz Symptomen
Magersüchtige die deutlich untergewichtig sind, fragen im Internet danach, wie sie weiter abnehmen können. Und Menschen, bei denen das (Dauer-) Essen zur Sucht geworden ist behaupten vor anderen, sie würden nur ganz wenig essen.
Das zeigt: zwischen dem was Aussenstehende sehen und dem, wie die Betroffene ihre Ernährungsverhalten, ihr Aussehen und ihren gesundheitlichen Zustand einschätzt, gibt es eine Diskrepanz.
Doch solange den Betroffenen die Einsicht in das eigene Verhalten fehlt, werden sich die Betroffenen aus eigenem Antrieb keine Hilfe suchen. Um so wichtiger ist deshalb der Einfluss und das Handeln von Angehörigen und Freunden. Das Problem ist allerdings: erwachsene Menschen können trotz klarer Diagnose nicht einfach gegen ihren Willen in eine Klinik eingewiesen werden. Dafür muss es Betroffenen schon offensichtlich schlecht gehen.
3. Lebensbedrohlich niedriges Gewicht, Nährstoffmangel und Übergewicht
Massnahmen werden notwendig, wenn das Körpergewicht lebensbedrohlich niedrig (siehe BMI) ist oder trotz ambulanter Therapie keine Gewichtszunahme erfolgt.
Bulimikerinnen sind eher selten untergewichtig. Dennoch besteht bei ihnen akute Gefahr, dass ihnen wegen des Erbrechens lebensnotwendige Nährstoffe fehlen. Der Körper kann seine Funktionen nicht mehr aufrechterhalten und die Betroffenen erkranken ernsthaft.
Bei der Binge eating Störung haben die Essattacken und das stetig wachsende Übergewicht starke Auswirkungen auf die Gesundheit. Meist zeigen sich die Folgen erst mittel- und langfristig. Sie führen nicht so rasch zum Tod wie eine Magersucht, aberczu Erkrankungen führen sie.
4. Schwere Krankheitssymptome und Medikamentenabhängigkeit
Frauen mit Bulimie und Magersucht verwenden Appetitzügler, Abführmittel und harntreibende Medikamente mit dem Ziel, ihr Gewicht zu reduzieren.
Die Folge sind bei übermässigem Gebrauch körperliche Schäden und Sucht. Manche Frauen schaffen es bald nicht mehr, auf diese Mittel zu verzichten. In solch einem Fall ist es sinnvoll, eine Therapie in einer Klinik zu beginnen, in der gleichzeitig eine Entgiftung erfolgt und die Medikamentenabhängigkeit behandelt wird. In der Klinik wird eine medizinische Behandlung, möglicherweise auch eine Zwangsernährung mit der Magensonde eingeleitet. In Fachkliniken wird meistens auch mit der psychotherapeutischen Behandlung begonnen.
5. Bestehende Schwangerschaft oder Zuckerkrankheit
Sowohl Hungern als auch Erbrechen können bei bestehender Schwangerschaft dazu führen, dass das Kind Schäden davonträgt oder dass es zur Fehlgeburt kommt. Eine Frau, die ein Kind erwartet und von ihren Problemen mit dem Essen weiss, sollte sich daher rasch in ärztliche Behandlung begeben oder von der Familie oder Freunden dazu motiviert werden.
Es scheint eher selten Fällen, dass Zuckerkranke unter Magersucht, Bulimie oder einer Binge eating Störung leidet. Wenn doch, ist es lebensgefährlich, wenn Betroffene eigenmächtig das lebensnotwendige Hormon Insulin weglassen oder sich weniger Insulin spritzen als nötig. Das lebensgefährliche diabetische Koma droht, so dass die sofortige Einweisung in die Klinik erforderlich wird.
6. Weitere psychische Probleme: Essstörung Borderline
Möglicherweise leiden Betroffene vordergründig an Essattacken, Bulimie oder Magersucht. Dahinter kann sich aber eine schwere psychische Erkrankung verstecken zum Beispiel eine Borderline-Störung, eine Depression und oder eine Suizidgefährdung.
Doch auch „harmlosere“ Symptome, die das Verhalten beim Essen begleiten, können Anlass sein in eine Klinik einzutreten. Beispielsweise sich verschlimmernde depressive Verstimmungen, Antriebsarmut, Wertlosigkeitsgefühlen, Schlafstörungen, Hilf- und Hoffnungslosigkeitsgefühlen oder andauerndes Denken müssen an das Essen.
7. Therapieerschwerende häusliche Bedingungen
Es ist wichtig den Betroffenen zu vermitteln was die Vorteile einer stationären Behandlung sind: sie ermöglicht Ruhe und den nötigen Abstand, gerade wenn
- Eltern oder Partner die Krankheit nicht wahrhaben wollen und
- sie eine ambulante psychotherapeutische Behandlung torpedieren, sei es aus Unkenntnis oder aus Angst vor Konflikten und mit Vorwürfen und Schuldzuweisungen reagieren.
8. Therapie Esssucht: Tipps zur Klinikwahl
Nicht wenige meiner Klientinnen haben zumindest für einige Wochen die Hilfe einer Klinik in Anspruch genommen.
Nach jahrelanger Erfahrung habe ich ihnen meist eine psychosomatische Klinik empfohlen (wie zum Beispiel die SGM in Langental oder die Klinik Aardorf).
Warum ist eine psychiatrische Klinik nur zweite Wahl?
In psychiatrischen Kliniken werden oft Patienten mit psychotischen Störungen aufgenommen. Für sensible Menschen, wie es die meisten Betroffenen von Bulimie und Magersucht sind, kann das belastend und verstörend sein. Es ist beängstigend, wenn ein Mitpatient unter Verfolgungswahn mit dem luftleeren Raum streitet, vor Angst zu schreien beginnt oder gar in die Isozelle muss und „ruhig gespritzt“ wird.
In psychosomatischen oder psychotherapeutischen Kliniken ist es seltener der Fall, dass solche Klienten aufgenommen werden.
Wann sind auf Essstörungen spezialisierte Kliniken nicht hilfreich?
Wenn eine Frau psychisch sehr belastet ist und sich das unter anderem in Essattacken zu zeigen beginnt, würde ich ihr ebenfalls eine psychosomatische oder psychotherapeutische Klinik vorschlagen. Denn in spezialisierten Kliniken kann sie zwar passgenaue Therapie bekommen, aber sie hat auch mit lauter Menschen zu tun, die sich mit Essstörungen herumschlagen. Das kann kontraproduktiv sein.
Nützlich ist so eine Klinik, wenn eine Betroffene tief in der Erkrankung steckt. Entwickelt sich die Störung gerade, würde ich vermeiden, dass sie mit Menschen in Kontakt kommt, deren Erkrankung fortgeschritten ist. Denn von ihnen kann sie Tipps und Tricks erhalten, wie man die Therapieziele (scheinbar) erreicht und trotzdem essen (vermeiden) kann.
Besser ist es für neu Betroffene mit Menschen in Kontakt zu sein, die sich zwar auch mit ihren Dämonen herumschlagen, die im Umgang mit dem Essen aber kaum Probleme haben. Eine gute Psychotherapie, eine Selbsthilfegruppe oder die Arbeit mit Büchern (auch mit meinem WorkBook) kann aus der Krise heraushelfen.
Hallo liebe Leserin
dank der Anti-Diät-Bewegung konnte ich schon früh den Kampf mit meinem Gewicht und Essattacken beenden.
Was ich gelernt habe, teilte ich viele Jahre mit meinen Klientinnen. Es zeigte sich, dass auch für sie das Gelernte zu einer tiefgreifenden Verbesserung führt.
Nimm von diesem Blog mit, was dir hilft und wenn du Fragen hast, melde dich per Mail bei mir.