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Disziplin? Sie wird überbewertet!
Damit du Frustessen und Essattacken überwinden kannst, braucht es mehr als die Fähigkeit sich „zusammenzureissen“. Es braucht Köpfchen und eine gute Portion Mut, um den wahren Ursachen für emotionales Essen (emotional eating) auf die Spur zu kommen.
Verstehe, was die Essstörung dir sagen will!
Denn die Probleme mit dem Essen sind nicht einfach ein Störfaktor in deinem Leben. Wenn sie keine körperlichen Gründe haben, kannst du davon ausgehen: diese Probleme wollen dir etwas sagen. Sie sagen dir, dass es dir zu oft emotional nicht gut geht.
Dies nehmen die Betroffenen meist nicht wahr. Sie sind mit ihrem „schlechten“ Verhalten und ihrem Übergewicht beschäftigt und kämpfen dagegen an. Doch in meiner langjähriger Erfahrung als Beraterin hat es sich als hilfreich erwiesen, sich weniger auf die Probleme mit dem Essen zu konzentrieren.
Hilfreicher ist es stattdessen genauer wahrzunehmen, welche Gefühle und Gedanken zu den Problemen führen. Das geht sehr gut mit der ABC-Theorie von Albert Ellis.
Symptome entschlüsseln – eine Anleitung
Albert Ellis, der Begründer der kognitiven Verhaltenstherapie, geht davon aus, dass emotionale Zustände und Verhaltensweisen niemals das eigentliche Problem sind. Egal, ob du
- Essattacken hast
- grundsätzlich zu viel, zu ungesund oder zu süss isst
- dich zu wenig bewegst
- zu viel Zeit vor dem Fernseher oder Computer sitzt
- ….. (füge selbst ein, welches Verhalten dich an dir stört)
diese Verhaltensmuster sind eine Folge, also ein Ergebnis – in Ellis Sprache eine Konsequenz. Sie sind nicht das Problem, das beseitigt werden muss!
Deshalb ist es sinn- und fruchtlos diesen Verhaltensmustern mit „Disziplin“ beikommen zu wollen. Das ist reine Symptombekämpfung. (Siehe auch Blogartikel “ Essstörung bekämpfen – so geht’s (nicht)!).
Zwischen Auslöser und Konsequenzen unterscheiden
Hier ein konkretes Beispiel:
A: Nach einem langen Arbeitstag kommst du müde zu Hause an. Es ist niemand da und du weisst noch nicht so recht was mit dem Abend anfangen. Natürlich hättest du viele Möglichkeiten und Aufgaben, aber du bist etwas unschlüssig
B: Das Gefühl der Leere in deinem eigenen Zuhause ist dir unangenehm. Du bist unruhig, fühlst dich allein und hast Angst, dich zu langweilen. „Mir geht es mit dieser Situation nicht gut“, denkst Du, „ich muss sofort etwas dagegen tun“.
C: Du gehst zum Vorratsschrank, öffnest ihn und beginnst zu knabbern. Das Aufhören fällt dir schwer. Bald fühlst du dich pappsatt, ja überfressen und machst dir schwere Vorwürfe.
An diesem Beispiel siehst du, dass dem esssüchtigen Verhalten (Consequences) ein Auslöser voraus ging (Activating event). Dieser Auslöser wurde in einer bestimmten Weise bewertet (Beliefs). Dies führte dazu, dass du den Vorratsschrank geöffnet und zu knabbern begonnen hast.
Hättest du die Situation anders bewertet, wäre das nicht passiert. Du hättest dir zum Beispiel sagen können „Wie schön, jetzt habe ich einen ruhigen Moment ganz für mich.“ Du hättest dir erlaubt Dir Zeit für Dich zu nehmen oder die Stille einfach zu geniessen.
Hast du aber nicht. Vielleicht, weil Du alleine wohnst und dich dadurch abends sowieso zu oft alleine fühlst. Oder weil du so unter Strom stehst, dass es dir schwer fällt Ruhe auszuhalten. Gründe gibt es viele.
Das innere Selbstgespräch wahrnehmen lernen und Frustessen und Essattacken überwinden
Kannst du anhand dieses Beispiel erkennen, dass unser Verhalten niemals zufällig ist? Dann ist dir auch klar, dass es wenig Sinn macht, dich weiter mit C, also deinem Essverhalten herum zu schlagen und dagegen zu kämpfen.
Konzentriere dich stattdessen darauf den Auslöser und die Bewertung, also das „innere Selbstgespräch“ wahrzunehmen . Denn wenn dir bewusst wird – wirklich bewusst – dass du abends unter Einsamkeit leidest, weisst du, worauf du reagierst und kannst nach Wegen suchen das zu ändern. Entweder indem du die Situation veränderst (in eine WG ziehen, mehr soziale Kontakte abends) oder die Bewertung änderst (ich nutze die Zeit, die ich alleine bin für mich) oder dich vertieft damit auseinandersetzt, woher die Einsamkeit kommt.
Fragen die helfen, die Hintergründe des Essverhaltens zu verstehen
Es braucht etwas Übung, um das Wahrnehmen der Auslöser (A) und des inneren Selbstgespräches (B) zu erlernen. Aber schwierig ist es nicht. Es ist nur eine neue Gewohnheit in die man hineinfinden muss.
Denn die wenigsten von uns durften schon als Kinder wahrnehmen, was in ihnen abläuft und was sie brauchen. Viele Eltern bringen ihren Kindern eher bei ihr Inneres nicht so ernst zu nehmen. Warum? Weil sie selbst mit sich ebenso umgehen.
So kommt es, dass meine Klientinnen ratlos sind gegenüber über Verhalten und behaupten in ihrem Leben sei alles bestens – abgesehen von der Essstörung (siehe auch Leseprobe 2 aus meinem Buch „Ich und mein Essverhalten“).
Schlagen wir also ein neues Kapitel in deinem Leben auf: Du übst Selbstwahrnehmung.
Hilfsmittel: die ABC-Analyse als Raster
Nimm ein leere Blatt zur Hand und erstelle das folgende Raster. Fülle es nach einem konkreten Erlebnis aus. Zum Beispiel nachdem du dich mit Knabbereien vollgefressen hast.
Auslöser | ……………………………..
|
Bewertung |
|
Konsequenzen |
|
Die folgenden Fragen, helfen dir dabei Antworten für die 3 Felder zu finden und diese im jeweiligen Feld zu notieren.
1. Was ist passiert? – Konsequenzen festhalten
Beginne damit zu beschreiben, an welchen Konsequenzen du dich gerade störst; also dass du – zum Beispiel – angefangen hast zu knabbern und damit nicht aufgehört hast, bis du dich pappsatt gefühlt hast. Du notierst, welche Selbstvorwürfe du dir nun machst und wie du dich fühlst.
Hilfreich ist es dein Essverhalten genau zu beschreiben. Denn das hilft dir und deinem Coach/Therapeut herauszufinden, was die Auslöser sind. Denn eine Essattacke ist nicht wie jede andere. Die eine schleicht sich über den Tag hin an, – was darauf hindeutet, dass irgendetwas schon „im Busch ist“, eine andere überfällt dich urplötzlich, ohne dass du zuvor über das Essen nachgedacht hast:
4 Typen von Essanfällen unterscheiden
Typ 1 – sich anschleichenden Anfälle: Betroffene sprechen davon, dass sie spüren, wie der Anfall immer näher rückt. Sie sagen: „Es steigt in mir auf wie Kohlensäure“ oder „Da ist eine innere Stimme, die mich zum Essen verführt.“
Typ 2 – plötzliche Anfällen: „Auf einmal bekam ich einen riesigen Heisshunger und ass plötzlich mehr als eine normale Portion. Danach hasste ich mich und hatte eine wahnsinnige Wut. Aus Trotz verschlang ich noch drei Tafeln Schokolade“.
Typ 3 -„geplante“ Anfälle: Dies ist ein Widerspruch in sich, trotzdem wird dies so erlebt: Die Betroffenen „planen“ ihre Essattacken im Voraus. Sie wissen zum Beispiel, schon während sie „für eine ganze Gesellschaft“ einkaufen, dass sie sich damit überessen (und danach erbrechen) werden. Falls der tägliche Ablauf Anfälle verunmöglicht, planen sie die Anfälle auf die freien Abende oder auf Zeiten wo sie ungestört sind.
Typ 4 – Die magische Grenze: Im Verlauf des Essens kommt es zu einer bedeutsamen Veränderung vom normalen Essen zum Anfall. Schon ein halber Apfel oder ein Stückchen Schokolade zuviel führt dazu, dass das Verhalten „kippt“ und die Betroffenen zu Schingen beginnen. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer „magischen Grenze“. Ist diese überschritten, bricht die Kontrolle zusammen und das Essverhalten kippt vom normalen Essen in einen unkontrollierten Vorgang.
Wenn du aufmerksam bist, stellst du vielleicht fest, dass sich ein Essanfall über Stunden entwickelte. Erst zu Hause überfiel er dich. Das wäre typisch für einen Anfall vom Typ 1:
Das eigene Essverhalten ehrlich beschreiben
Es mag dir peinlich sein, ganz ehrlich und präzise zu beschreiben, was du mit dem oder nach dem Essen tust, aber es ist hilfreich, weil dir dadurch dein inneres Selbstgespräch und unbewusste Bedürfnisse bewusst werden können:
Still und heimlich? oder „offensichtlich“
In der Regel finden Überessen und Fressattacken heimlich statt. Die meisten Betroffenen putzen sich danach die Zähne, duschen, wechseln die Kleidung und säubern Küche und/oder Bad. Sie sind darum bemüht, alle Spuren zu beseitigen. Häufig wissen Angehörige deshalb über Jahre nichts davon und erfahren erst mit Beginn der Therapie von dieser Symptomatik.
„Bloss nicht auffallen, bloss nicht zeigen, was wirklich mit mir los ist“ diesem Denkmuster (B), bin ich in der Beratung oft begegnet bin. Insbesondere bei Bulimikerinnen.
Es gibt aber auch Betroffene, die (unbewusst) gezielt mit dem Erbrechen darauf hinweisen, dass etwas nicht in Ordnung ist: Sie erbrechen in Blumentöpfe, auf Sessel, aus dem Fenster, in Eimer, die sie im Zimmer oder auf dem Balkon stehen lassen, in Plastiktüten, die sie in Schränken verstecken oder in der Wohnung verteilen, so dass die Angehörigen damit konfrontiert sind.
Wie ist es bei dir? Spricht dein Verhalten dafür, dass du (unbewusst) entdeckt werden möchtest bei deinem Tun?
2. Wann hast du die Essanfälle? Auslöser erkennen
Die Situation
„In welcher Situation war ich gerade bevor ich zu essen anfing?“ das ist die zweite Frage. Sie gilt es zu beantworten um Auslöser zu erkennen. In unserem Beispiel beschreibst du also, dass du abends nach Hause gekommen bist und dann etwas ratlos warst, was du tun willst/sollst.
Die Uhrzeit
Hilfreich ist es, die Uhrzeit zu notieren. Sehr häufig lässt sich beobachten, dass die Probleme zu ganz bestimmten Zeiten auftreten. Die einen essen zuviel, wenn sie abends nach Hause kommen. Andere naschen den ganzen Tag oder wachen in der Nacht auf und wandern zum Kühlschrank. Manche gehen einkaufen, parkieren danach irgendwo auf einem Parkplatz um die Tüten leer zu futtern oder haben während der Rückfahrt im Auto Essattacken.
Das Umfeld
Notiere auch den Name der Menschen, mit denen du unmittelbar davor zu tun hattest. Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber ein bestimmter Mensch kann die Ursache dafür sein, dass du dich regelmässig überisst.
3. Was hat sich in dir abgespielt? Das innere Selbstgespräch erfassen
Die nächste wichtige Frage, um dem inneren Selbstgespräch auf die Spur zu kommen ist: Welcher innerer Dialog lief bei dir ab, kurz bevor du zum Beispiel, die Einkaufstüten ins Auto geladen hattest und plötzlich abgebogen bist, um auf einem Parkplatz mit dem Essen zu beginnen? Was hast du unmittelbar vor dem entschluss abzubiegen über die Situation gedacht? Was ging dir durch den Kopf? Was hast du gefühlt?
Anfangs ist es etwas mühsam, das wahrzunehmen, weil – wie oben beschrieben – viele von uns das niemals gelernt haben. Wenn du kein Autodidakt bist, hilft es dir mit einem Coach, SeelsorgerIn oder TherapeutIn deinem inneren Selbstgespräch auf die Spur zu kommen.
Manchmal kann auch eine Frage aus der lösungsorientierten Therapie aufdecken, was innerlich abläuft:
Was nützt dir dein Verhalten?
Wenn meine Klientinnen keinen Zugang dazu hatten, was sich in ihnen abspielt, fragte ich sie etwas provokativ:
„Was nützt dir denn dein Verhalten?“
„Nichts nützt mir meine Fresserei“, antwortete manche Klientin ungehalten. „Es bringt nur Stress, macht mich todunglücklich und auch noch dick“.
Doch ich blieb hartnäckig und fragte, weiter nach dem „Wozu?“. Deshalb stellte ich die Frage anders „Was war denn nach dem Essen besser als vorher?“.
„Ich war vorher unruhig, fühlte mich schlecht, einsam …“ so lauteten dann die Antworten und dabei fiel meinen Klientinnen auf, dass sie diese Gefühle
- zuvor nicht wahrgenommen hatten und
- sie während des Essens ganz vergessen hatten. Sie hatten sie „mitgeschluckt“ und damit erledigt (nicht bewältigt!).
„Gut“, sagte ich, „kannst du nachvollziehen, welcher innere Dialog in dir ablief?“.
So kamen wir B langsam auf die Schliche.
Wahrnehmen heisst reagieren können
Oft braucht man einen guten Coach oder Therapeuten, der einem dabei unterstützt äussere (A) und innere Faktoren (B) zu erfassen und das innere Selbstgespräch präzise wahrzunehmen.
Mit etwas Übung wirst du feststellen, dass manchmal der Anfall ausbleibt, nur weil dir dein innerer Zustand (Gefühl der Einsamkeit, Unruhe) und dessen Bewertung bewusst geworden ist. Das klappt nicht immer, aber das sind supergute erste Erfolge. Du bist auf dem besten Weg dein Essverhalten wieder steuern zu können!
Meist muss der Prozess aber noch tiefer gehen: du musst die Gefühle und Bewertung nicht nur wahrnehmen lernen, sondern sie bewältigen, beantworten und durch hilfreichere „ersetzen“. Im Kurs Seelenfutter biete ich dir den Rahmen dafür.
Esstraining: neu mit dem Essen umgehen lernen
Mit diesen Schritten erkennst du immer mehr Ursachen und kannst Esssucht, Fressattacken und zuviel Essen überwinden.
Eines darf nicht unterschätzt werden: neben dieser inneren Arbeit, die es zu tun gilt, musst du auch mit dem Essen „normal“ umgehen können:
- Es gilt zu ver-lernen das Essen als Ersatz für die emotionalen Bedürfnisse zu nutzen.
- Es gilt zu erlernen, was dein Körper wirklich braucht.
Denn selbst wenn du deine emotionalen Bedürfnisse besser wahrnehmen und dafür besser sorgen kannst, haben sich in den Jahren des Diäthaltens und Überessens festgefahrene Gewohnheiten und negative Gefühle im Zusammenhang mit dem Essen entwickelt: Angst vor dem Essen zum Beispiel.
Um dich gut zu fühlen und Dein Verhalten steuern zu können, musst du ein neues Modell dafür bekommen, wann du was und wieviel isst ohne dich eingeschränkt zu fühlen (Achtung Essattacke!) oder zuviel oder zuwenig zu essen.
Auch das ist ein Ziel des Kurses Seelenfutter, der dir hilft emotionales essen überwinden.
Hallo liebe Leserin
dank der Anti-Diät-Bewegung konnte ich schon früh den Kampf mit meinem Gewicht und Essattacken beenden.
Was ich gelernt habe, teilte ich viele Jahre mit meinen Klientinnen. Es zeigte sich, dass auch für sie das Gelernte zu einer tiefgreifenden Verbesserung führt.
Nimm von diesem Blog mit, was dir hilft und wenn du Fragen hast, melde dich per Mail bei mir.