Inhaltsverzeichnis
Bezeichnung
Bulimie, bulimia nervosa, atypische Bulimie, Ess-Brech-Sucht, umgangssprachlich auch Ess-Fressucht (*siehe unten).
Anzeichen Bulimie
Angst vor Gewichtszunahmen und Purgingverhalten
Bulimikerinnen sind oft normalgewichtig oder sogar schlank, aber sie haben grosse Angst vor einer Gewichtszunahmen. Diese Angst wird „Gewichtsphobie“ genannt.
Aus dieser Angst ergreifen Betroffene Gegenmassnahmen: sie erbrechen, fasten, halten andauernd Diät, nutzen Abführmittel, Appetitzügler oder treiben exzessiven Sport. Achtung! eine Bulimie kann auch vorliegen OHNE Erbrechen. Ein zwingendes Kriterium ist nur, dass eine der Gegenmassnahme genutzt wird – egal welche (siehe diagnostische Kriterien).
Zwanghaftes Trainieren statt Erbrechen
Das Purging-Verhalten, also die Gegenmassnahme, kann auch in zwanghaftem Sporttreiben bestehen. Das ist – besonders unter Männer – viel weiter verbreitet, als man sich in unseren Breitengraden bewusst ist. Sport gilt hierzulande ja als sooo gesund…!
Folgende Verhaltenswesen weisen auf zwanghaftes Trainieren hin:
- Das Leben wird dem Training angepasst, statt das Training dem Leben
- Was man isst oder nicht, wird davon abhängig gemacht, ob man trainiert oder nicht
- das Gefühl richtig oder vollständig oder gut zu sein hat man nur wenn man trainiert
- Training trotz Krankheit und Müdigkeit
- man zwingt sich zu trainieren, obwohl man es überhaupt nicht mag
Begleitsymptome
Stärker als Magersüchtige neigen Bulimikerinnen zu Ladendiebstahl, Selbstverstümmelung, Selbstmordversuchen, Depressionen oder Alkoholismus
Die Häufigkeit der Essanfälle
Wie häufig am Tag oder in der Woche sich Mädchen und Frauen vollfressen und dann Gegenmassnahmen ergreifen (Purging-Verhalten), ist unterschiedlich und schwankt auch oft bei den Betroffenen selbst.
- 60% der betroffenen Frauen haben 1-2x täglich Fressanfälle und erbrechen
- 30% 6 mal täglich
- 10% noch häufiger
- Es kann pro Tag bis zu 20 Anfällen kommen.
Quelle: Iss doch endlich mal normal, Bärbel Wardetzki, Kösel-Verlag, S. 36
Epidemiologie
Iss doch endlich mal normal, Bärbel Wardetzki, S.35
Nach amerikanischen Studien kann man davon ausgehen, dass die Wahrscheinlichkeit an einer Bulimie zu erkranken bei Frauen (im Alter zwischen 15-30) bei etwa 2% liegt. Dr. med. N. Gumpert, 2004
Die Geschichte der Bulimie
Aus: Satt aber hungrig, 1989, rororo-verlag, S.145
Bulimie – die ignorierte Essstörung
Magersucht und Bulimie werden im allgemeinen unter der Überschrift „Essstörungen“ betrachtet, wobei Magersucht häufig als die Schwester, wenn nicht gar als die Mutter der Bulimie gilt (von anderen Autoren auch „die heimliche Schwester“ genannt).
Folglich konzentrierte sich die Aufmerksamkeit in starkem Masse auf Anorexia nervosa, die Bulimie wurde als eigenständiges Syndrom kaum beachtet. Folglich war die Esstörung Bulimie lange Zeit nicht Gegenstand eigenständiger Untersuchungen oder theoretischer Überlegungen.
Man ging davon aus, die Einsicht in das, was bei der Magersucht vor sich geht, würde auch zu einem Verständnis von Bulimie führen, obwohl die beiden Symptome wie die betroffenen Menschen recht verschieden sind. Zwar haben offensichtlich beide Verhaltensweisen zum Ziel, das Körpergewicht niedrig zu halten, Magersucht aber richtet sich nach aussen, mit ihr lässt sich bei anderen Bewunderung erregen, Bulimie hingegen wird geheimgehalten, und anderer empfinden allenfalls Mitleid für die Betroffenen.
Bulimie Folgen – sozial und psychisch
Eingeschränkter Radius
Die Nahrung ersetzt immer mehr die übrige Welt und die Bulimikerin ist zunehmend desinteressiert an ihrer Umgebung.
Dem krankhaften Nahrungsbedürfnis wird die ganze Lebensführung angepasst und untergeordnet: „Manchmal frass ich schon beim Frühstück. Ich ging dann gar nicht mehr aus dem Haus, sondern verbrachte den Tag mit Fressen. Manchmal blieb ich drei Tage zu Hause und tat nichts anderes als fressen und kotzen“
Das Leben wird bestimmt von der Waage, vom Training, von Kalorienberechnungen und von der Frage, was kann ich tun, um noch mehr Kalorien zu verbrennen?
Der Akt des Essens verliert an Befriedigung. Essen wird zum Stress, statt zum Genuss, den der Frau mit Essstörungen sitzt die Angst im Nacken und eine innere Diktatur beherrscht sie und dominiert sie.
Negative Gefühle und Selbstzerstörungstendenzen
Während des Essanfalls haben Betroffene starke, negative Gefühle wie Wut, Trotz, Selbsthass, verbunden mit Heisshungergefühlen und dem Gefühl fehlender Sättigung bzw. Übelkeit. Sie erleben den Anfall keineswegs als Befreiung… nein sie haben eher das Gefühl, der Hunger sei doch irgendwie noch latent in ihnen vorhanden.
Nach dem Anfall schlagen sich manche Frauen auf den Bauch und spüren den Impuls sich mit dem Messer in den Bauch zu stechen.
Überforderung durch Häufigkeit der Anfälle
Der Einstieg ins Erbrechen wird oft als erleichternde und hilfreiche Lösung empfunden:
Das Erbrechen ist die logische Konsequenz um sich körperlich besser zu fühlen und der Versuch, ungeschehen zu machen. Doch die Erleichterung hält nicht lange an. Denn bald wird die vermeintliche Lösung zum Problem.
Bulimie Folgen – gesundheitlich
Die Ess-Brech-Sucht kann zu Störungen des Elektrolyt-Stoffwechsels, zu Entzündungen der Speiseröhre, zu Zahnschäden sowie zu Mangelerscheinungen führen. Da durch einen gestörten Elektrolythaushalt das Herz angegriffen werden kann, kann es zu Herzversagen und somit zum Tod kommen, insbesondere wenn die Ess-Brech-Sucht noch mit Untergewicht einhergeht.
Anhand von Laborbefunden des Blutes lässt sich eine bulimische Erkrankung kaum nachweisen. Vielmehr sind es äussere Symptome wie Hautveränderungen, vor allem trockene, schuppige Haut, Zahnabdrücke auf dem Handrücken durch das Finger-in-den-Hals-stecken, ein Unter- oder Übergewicht und die Ausbildung von Hamsterbacken, die ihrerseits auf einen langjährigen Verlauf und eine mögliche Chronifizierung der Krankheit hinweisen. Quelle: Iss doch endlich mal normal, S. 41
Blutarmut ist eine Folge der generellen Unterernährung und des Vitamin-B-Mangels. Dem Mediziner kann eine solche Blutarmut jedoch auch ein Hinweis sein, dass ein vermehrter Alkoholkonsum vorliegt, wie dies bei den bulimischen Betroffenen häufig der Fall ist.
Viele Bulimikerinnen beklagen einen starken Haarausfall und geplatzte Äderchen um die Augen (durch Erbrechen). Nicht selten sind die Finger- und Zehennägel brüchig und in manchen Fällen uhrglasartig aufgetrieben, was auf einen Abführmittelmissbrauch hindeuten kann. Weitere Symptome sind niedriger Blutdruck und Kälteintoleranz.
Alarmzeichen für eine psychische Desatabilisierung sind ein immer eingeschränkterer Radius, emotionale Destabilisierung, Überforderung in Leistungssituationen.
Folgen des Erbrechens
Die Magensäfte, die beim Erbrechen in den Mund gelangen, greifen die Zahnbeläge an und rufen Karies und Zahnausfall hervor. Eine spezielle und intensive Zahnhygiene ist erforderlich, um nicht bereits in frühen Jahren auf eine Teil- oder Vollprothese angewiesen zu sein.
Durch Manipulation mit dem Finger oder Gegenständen kann es im Rachenraum und er Speiseröhre zu Verletzungen kommen. Wie Thomas Ettl sagt, halten sich die Patienten über die Art und Weise, wie sie sich zum Erbrechen bringen, gerne bedeckt. Aber Selbstverletzungen durch Gegenstände sind oft möglich.
Vermutlich durch häufiges Erbrechen entsteht ein Überschuss an Magensäure im Rachen- und Mundbereich. Die Speiseröhre entzündet sich und die Speicheldrüsen schwellen an, was die Ursache für die so genannten „Hamsterbacken“ bei der Bulimie ist.
Speicheldrüsenschwellungen sind meist nicht schmerzhaft, führen aber aufgrund des teilweise entstellenden Aussehens zu vielfachen Arztbesuchen und oft auch zu unnötigen und belastenden diagnostischen Eingriffen. (Weil die Bulimikerin ihren Arzt nicht informierte!) Wenn die bulimische Symptomatik nicht mehr vorhanden ist, werden diese Drüsenschwellungen vorübergehend schmerzhaft bilden sich dann aber zurück.
Gegebenenfalls kommt es neben der Reizungen der Speiseröhre, zu Blutungen. Exzessives Erbrechen bzw. die Einnahme riesiger Mengen Nahrungsmittel bei einem Fressanfall bergen im Extremfall die Gefahr, dass Speiseröhre oder auch Magenwand dem Druck nicht mehr standhalten und reissen.
Folgen durch Medikamenten-Missbrauch
Zusätzliche Komplikationen entstehen wenn Patienten Abführmittel regelmässig und in grösseren Mengen einnehmen. Es wird dadurch noch mehr Kalium ausgeschieden, was von Verstopfung bis zu Darmlähmung führen kann.
Durch harntreibende Mittel wir der Elektrolythhaushalt stark gestört und es kommt unter anderem zu einem Natrium – und Kaliummangel, der zu Nierenfunktions- und Herzrythmusstörungen führen kann bis hin zu Nieren-, Herz-Kreislaufversagen.
Da bulimische Patienten immer mehr die Fähigkeit zu erbrechen „entwickeln“, gelingt es einem Teil, den Würgreflex weitgehend ohne Manipulation und Anstrengung auszulösen. Bei diesen Patienten besteht in der Regel eine Erschlaffung und Ausweitung des Magenschliessapparates (und Magenerweiterung). Ausserdem bedingt der Verlust an Magensäure Schwäche, Müdigkeit, Unruhe und Angstgefühle. Die Zusammenarbeit mit einem Arzt oder einer Ärztin (die informiert ist!) ist unerlässlich.
* Ist die Bezeichnung Ess-Fresssucht angebracht?
Betroffene und auch Fachleute sprechen nicht selten von „Ess-Brech-Sucht“, von „Ess-Fresssucht“ oder einfach von „Fresssucht“. Die einen plädieren für die Bezeichnung Fresssucht, weil sie der Ansicht sind, die Art des Essens sei „tierisch“. Es verdiene diese Bezeichnung und sei zudem ehrlicher.
Auch ich weiss: Ehrlichkeit ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Heilung, aber Selbstabwertung und Hänseleien haben von Bulimie Betroffene meist schon in jungen Jahren stark verletzt. Nicht selten sind abwertende Kommentare über ihr Aussehen die Auslöser für den Beginn einer Diätkarriere und damit der erste Schritt Richtung Essstörung.
Selbst wenn es zu den typischen Symptomen gehört, dass den Betroffenen die Tischsitten während den Essanfällen abhanden kommen, sind liebenswerte Menschen und abwertende Kommentare unangebracht; daher benutze ich, konsequent die Bezeichnung „Bulimie“ oder „Ess-Brech-Sucht“.
Hallo liebe Leserin
dank der Anti-Diät-Bewegung konnte ich schon früh den Kampf mit meinem Gewicht und Essattacken beenden.
Was ich gelernt habe, teilte ich viele Jahre mit meinen Klientinnen. Es zeigte sich, dass auch für sie das Gelernte zu einer tiefgreifenden Verbesserung führt.
Nimm von diesem Blog mit, was dir hilft und wenn du Fragen hast, melde dich per Mail bei mir.